Vor dem Abriss gerettet: Jochen Siebert hat gezeigt, welches Potenzial in einem auf den ersten Blick desolaten Fachwerkhaus stecken kann. Das historische Gebäude in Balhorn an der Straße Im Tor hat er mit viel Gespür für die Besonderheit des Hauses runderneuert und zu einem Wohnhaus mit modernem Wohnkomfort gemacht. © Norbert Müller

Vom Abrisskandidaten zum Schmuckstück wurde das Fachwerkhaus von Jochen Siebert. Das Haus ist 250 Jahre alt und war lange Zeit unbewohnt.

Der nächste Denkmalpreis, mit dem der Landkreis den Einsatz für den Erhalt historischer Häuser würdigt, wird im September 2023 überreicht. Die aktuellen drei Preisträger kommen aus dem Wolfhager Land. Wir stellen sie in einer Serie vor. Heute der Erstplatzierte, Jochen Siebert.

Balhorn – Sein Schicksal war längst besiegelt. Nicht mehr lange, dann würde die Abrissbirne das Fachwerkhaus nahe der Kirche in Balhorn einschließlich seiner knapp 250-jährigen Geschichte einfach so pulverisieren und eine weitere Lücke in den längst löchrigen historischen Ortskern reißen. Runtergekommen dämmerte das Haus vor sich hin, unbewohnt seit Jahrzehnten. Niemand, so schien es, wollte dem Fachwerkbau eine Chance geben, konnte tatsächlich einschätzen, welches Potenzial sich zwischen First und Sockel verbarg.

 

In direkter Nachbarschaft lief das Kontrastprogramm. Dort wurde in ein anderes altes Fachwerkgebäude investiert. Jochen Siebert aus Ehringen war mit der Sanierung beauftragt, ein gelernter Stuckateur und Restaurator, erfahren im Umgang mit alten Gebäuden. Mit seinen Mitarbeitern kurierte er die kränkelnde Immobilie. Und während man Tag für Tag auf der Baustelle die Runderneuerung vorantrieb, erinnert sich Siebert, habe er „auch schon immer mal rübergelugt“. Als er dann vom Denkmalpfleger auf das akut vom Abriss bedrohte Nachbarhaus angesprochen wurde, das jener als „ein von der Substanz her gutes Haus“ beschrieben und ihm eindringlich ans Herz gelegt habe, da sah er sich das so marode dastehende Objekt tatsächlich mal genauer an.

Das Haus wusste den Experten zu überzeugen. Die inneren Werte des betagten Gebäudes waren so vielversprechend, dass sich Jochen Siebert für den Kauf entschied und sich damit zunächst mal ordentlich Zeitdruck einhandelte. „Es waren nur noch sechs Wochen bis zum Ende der Abgabefrist für die Denkmalförderung vom Kreis.“ Und bis dahin musste der Kauf abgewickelt und der Antrag für den Zuschuss eingereicht sein, „sonst wären mir die Förderquellen entgangen“. Und auf die könne man bei einem solchen Projekt nicht verzichten, auch wenn man sehr viel Eigenleistung einbringen könne. Siebert nahm alle Hürden im Galopp: „Es hat auf den letzten Drücker geklappt.“

Fühlen sich wohl: Die Mieter Heinrich Bartelt und seine Frau Marion Neumeyer-Bartelt im Wohnbereich, der einen zeitgemäßen Standard bietet. © Norbert Müller

Das Fachwerkhaus hatte keine Toilette und keine Heizung

Dann war er Besitzer eines sogenannten Wohnstallhauses, das irgendwann im Laufe des 18. Jahrhunderts errichtet worden war. „Das Haus war nahezu im Urzustand. Wir mussten nicht viel zurückbauen. Es war noch sehr ursprünglich“, sagt Siebert. Drinnen gab es kein Badezimmer, nur eine Zinkwanne, keine Toilette, keine Heizung. Für den Ehringer Fachmann alles Vorteile. So war über die Zeit an der Gebäudesubstanz wenig verdorben worden. Und etwas ganz Besonderes blieb erhalten: Farbige Wandbemalungen „von hoher Qualität, so Siebert, die mit Schablonen aufgetragen worden waren. Etwas sehr Unübliches für ein Haus dieser Art. Sieberts Erklärung: „Es muss mal ein Maler hier drinnen gewohnt haben. Der hat seine Schablonen an den eigenen Wänden ausprobiert.“

Die Ornamente galt es zu erhalten. Auf den Außenwänden wurden sie mit Seidenpapier abgedeckt, ehe die Innendämmung darüber gelegt wurde. In die Wände wurden Heizkörper mit Lehm eingeputzt. Und obendrauf mit den Schablonen die Ornamente rekonstruiert. Auf innen stehenden Wänden wurden die Originalmalereien restauriert. Außerdem nahm Jochen Siebert Zimmerwände heraus, um „Großzügigkeit zu schaffen“. Die tragenden Wände blieben stehen, um die alte Struktur zu erhalten. Auf dem Dachboden fanden sich alte Bleiglasfenster. Sie wurden original nachgebaut. 15 Exemplare der zweiflügeligen, doppelverglasten Holzfenster wurden in die Fassade eingesetzt. Ähnlich lief es mit den Türen. Die alten wurden aufgearbeitet und wieder eingebaut, die Haustür anhand von Vorbildern in der Nachbarschaft rekonstruiert. Die massiven Eichenfußböden wurden erhalten, an anderer Stelle marode Böden durch neue Eichendielen ersetzt. Im hinteren Hausteil, wo sich einst unten der Stall befand, wurden die gesamten Versorgungsleitungen eingezogen, eine Gasheizung eingebaut und darüber ein Bad installiert.

Modernen Wohnraum mit zeitgemäßem Komfort in einem nach historischem Vorbild restauriertem Haus schaffen, das, sagt Jochen Siebert, sei Ziel der Arbeiten gewesen. Und nach gut dreijähriger Schaffensphase war das im Herbst 2020 erreicht.

Die Ornamente galt es zu erhalten. Auf den Außenwänden wurden sie mit Seidenpapier abgedeckt, ehe die Innendämmung darüber gelegt wurde. In die Wände wurden Heizkörper mit Lehm eingeputzt. Und obendrauf mit den Schablonen die Ornamente rekonstruiert. Auf innen stehenden Wänden wurden die Originalmalereien restauriert. Außerdem nahm Jochen Siebert Zimmerwände heraus, um „Großzügigkeit zu schaffen“. Die tragenden Wände blieben stehen, um die alte Struktur zu erhalten. Auf dem Dachboden fanden sich alte Bleiglasfenster. Sie wurden original nachgebaut. 15 Exemplare der zweiflügeligen, doppelverglasten Holzfenster wurden in die Fassade eingesetzt. Ähnlich lief es mit den Türen. Die alten wurden aufgearbeitet und wieder eingebaut, die Haustür anhand von Vorbildern in der Nachbarschaft rekonstruiert. Die massiven Eichenfußböden wurden erhalten, an anderer Stelle marode Böden durch neue Eichendielen ersetzt. Im hinteren Hausteil, wo sich einst unten der Stall befand, wurden die gesamten Versorgungsleitungen eingezogen, eine Gasheizung eingebaut und darüber ein Bad installiert.

Modernen Wohnraum mit zeitgemäßem Komfort in einem nach historischem Vorbild restauriertem Haus schaffen, das, sagt Jochen Siebert, sei Ziel der Arbeiten gewesen. Und nach gut dreijähriger Schaffensphase war das im Herbst 2020 erreicht.

120 Quadratmeter auf zwei Etagen

„Wenn ich dem Haus gegenüber ehrlich bleibe und mit gesunden Lehmbaustoffen arbeite, dann ist der Markt auch für Mieter vorhanden“, sagt der 52-Jährige. Tatsächlich hatte er schon nach Sanierungsstart Interessenten: Heinrich Bartelt und dessen Frau Marion Neumeyer-Bartelt. Die beiden seien die gesamte Bauphase über präsent gewesen und hätten immer wieder deutlich gemacht, dass sie mieten wollen. Seit Oktober 2020 wohnen sie im runderneuerten Haus, das auf der Abrissliste stand und ihnen nun gut 120 Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Etagen bietet. „Ich finde es gemütlich und heimelig. Das Haus hat Ausstrahlung und Charakter und ist nicht so steril wie ein Neubau“, schwärmt Marion Neumeyer-Bartelt. „Es lebt, hat Vergangenheit und eine Wohnqualität wie ein normales modernes Haus.“ Ihr Mann Heinrich sagt, er habe sich von Anfang an wohlgefühlt im Haus.

Für Siebert ist der Preis des Landkreises nicht die erste Auszeichnung für die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes. Der Ehringer wirbt für den Erhalt der alten Häuser. Ein Grund: „Denkmalpflege ist Klimaschutz.“ Das Reparieren sei im Gegensatz zum Neubauen ressourcenschonend. Auch deswegen wünscht er sich viel mehr Zurückhaltung bei der Entscheidung zum Abriss von alten, auf den ersten Blick desolaten Häusern.
(Norbert Müller)